Fibrinogen-Marketing

Einleitung

Seit Jahren betreiben die Firmen CSL Behring GmbH (Marburg), Hersteller von Konzentraten von Gerinnungs-Faktoren sowie von Fibrinogen, und TEM International GmbH (München), Hersteller bzw. Vertreiber des Thrombelastogramm-Gerätes Rotem (vormals Pentapharm, München), ein besonderes Marketing insofern, als über die Rotem-Diagnostik der Markt für den Einsatz der Behring-Produkte vorbereitet wird.

Diese Kooperation wird nun insofern "optimiert", als in drei Publikationen der Jahre 2011 und 2012 ein Mitarbeiter von CSL Behring als Co-Autor dazu beiträgt, dass mehr als die Hälfte der Autoren dieser Publikationen einen Interessenkonflikt mit beiden Firmen (TEM und Behring) deklarieren, wobei jeweils Produkte von CSL Behring besprochen werden.

In einer Publikation [Solomon et al. 2011] wird dieses Marketing nochmals "optimiert":

  1. Der Normalwert der Fibrinogen-Konzentration wird ganz erheblich angehoben mit dem vermuteten Ziel, den Einsatz von Fibrinogen nach oben zu treiben.
  2. Erhebliche handwerkliche Mängel werden dabei in Kauf genommen.

Normalwert der Fibrinogen-Konzentration

Es werden Verfahren zur Konzentrationsbestimmung von Fibrinogen verglichen, wobei ein Konzentrationsbereich von bis zu 5 g/l untersucht wird. Dem Leser wird so suggeriert, dass sich die Diagnostik der Fibrinogen-Konzentration auf diesen Bereich erstrecken würde.

Der Normalwert von Fibrinogen beträgt aber nach der Literatur nur ca. 2,5 g/l:

  1. Gemäß Lehrbuch sind es 2,5 g/l (150 - 350 mg/dl) [Pötzsch, Madlener 2010].
  2. Nach 5 Literaturstellen sind es 2,7 g/l (genau 2,69 g/l), ein gewichteter Mittelwert von 214 Probanden im Alter von 13 - 85 Jahren [Geigy 1984].

Weiter wird dem Leser durch geschickte Formulierungen suggeriert, der Normalwert läge bei 4,5 g/l: "Up to approximately the limit of normal values (4.5 g/L)" bzw. "… at concentrations close to and above the normal value (4.5 g/L)…".

Nicht kommentiert wird, dass die Ausgangswerte (Normalwerte?) der 4 Probanden bei den Aufstockungsversuchen für alle drei Methoden (Abb. 4) immer zwischen 2 und 3 g/l liegen, Plasmawerte unterstellt (s. u.).

Und schließlich wird beschrieben, dass bei 33 Patienten der Herzchirurgie mit einer mittleren Dosierung von 6 g Fibrinogen gemäß Rotem-Diagnostik ("target FIBTEM MCF of 22 mm") die mittlere Fibrinogen-Konzentration von 1,8 auf 3,3 g/l angehoben wurde, also ein Zielwert ca. 25 % über dem Normalwert. Allerdings erhebt sich die Frage, warum sich von der 6 g-Dosis nur gut 80 % im Plasma wiederfinden, da 6 g in 2,75 l Plasma (Blutvolumen 5 l, Hkt 45 %) das Fibrinogen von 1,8 auf 4,0 g/l erhöhen sollten. Auch wird mitgeteilt, dass (neben der Thrombozytenzahl) die Gerinnungs-Parameter Prothrombinzeit (PT) und aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) vor und nach Fibrinogengabe unverändert geblieben sind.

Eine Stellungnahme des Geschäftsführers von CSL Behring (Dr. Roland Martin) steht – trotz zweimaliger Einladung – noch aus.

Die Stellungnahme der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. (FSA Berlin, Wilfried Bernhardt) lautet: Da das Unternehmen CSL Behring GmbH kein Mitglied des FSA ist und sich auch nicht den FSA-Kodizes und der FSA-Verfahrensordnung unterworfen hat, kann die Schiedsstelle die Angelegenheit nicht im Rahmen ihrer Sanktionsbefugnis verfolgen.

Handwerkliche Mängel

Mit aufgestockten Proben werden Verfahren zur Fibrinogen-Bestimmung verglichen. Da Fibrinogen in g/l Plasma angegeben wird, nicht in g/l Blut wie z.B. Hämoglobin, ist die Beschriftung in Abb. 3 in Verbindung mit Abb. 4 verwirrend. Zum Beispiel entspricht für eine Blutprobe mit einem Hämatokrit von 45 % eine Fibrinogen-Konzentration von 2,5 g/l im Plasma einer Konzentration von 1,38 g/l im Blut.

Es erhebt sich die Frage, welche Konzentrationsangaben in Abb. 4 gemeint sind, wenn es dort heißt "Amount of fibrinogen (g/l) added to volunteers' blood"? Da für alle 3 Geräte ohne Fibrinogen-Zugabe ein Ordinaten-Wert von ca. 2,5 g/l gefunden wurde (typischer Normalwert Probanden), könnte man annehmen, dass es sich um g/l im Plasma handelt.

Vergleicht man aber Abb. 3 und 4 für das FIBTEM MCF (mm), hat man den Verdacht, dass in Abb. 3 die Plasma-Konzentration, also 22 mm entsprechend 3 g/l, gemeint ist, und in Abb. 4 die Blut-Konzentration, nämlich 22 mm entsprechend 1 - 2 g/l: Bei einem Hämatokrit von 45 % würden 3,0 g/l im Plasma einem Wert von 1,65 g/l bezogen auf Blut entsprechen, also genau der Bereich zwischen 1 und 2 g/l.

Es wird vermutet, dass die Angaben g/l Plasma und g/l Blut mehrfach verwechselt wurden.

Eine Stellungnahme der Autoren C. Solomon, H. Schöchl, G. Hochleitner und N. Rahe-Meyer steht – trotz mehrmaliger Einladung und primärer Zusage – noch aus.

Literatur / Conflict of Interest

Solomon C (T,B), Cadamuro J, Ziegler B, Schöchl H (T, B), Varvenne M, Sørensen B (P, B), Hochleitner  G (MB), Rahe-Meyer N (T, B):
A comparison of fibrinogen measurement methods with fibrin clot elasticity assessed by thromboelastometry, before and after administration of fibrinogen concentrate in cardiac surgery patients.
Transfusion 2011; 51: 1695-1706

Schöchl S (T, B), Nienaber U, Maegele M (T, B), Hochleitner G (MB), Primavesi F, Steitz B, Arndt C, Hanke A (B), Voelckel W, Solomon C (T, B):
Transfusion in Trauma: Thromboelastometry-guided coagulation factor concentrate-based therapy versus standard fresh frozen plasma-based therapy.
Critical Care 2011; 15: R 83

Solomon C (T, B), Sørensen B (P, B), Hochleitner G (MB), Kashuk J, Ranucci M, Schöchl S (T, B):
Comparison of whole blood fibrin-based clot tests in thromboelastography and thromboelastometry.
Anesthesia & Analgesia 2012; 114: 721-730

Geigy Scientific Tables (Ed. C. Lentner) vol. 3, p. 148. Ciba-Geigy, Basel 1984

Pötzsch B, Madlener, K (Hrsg.):
Hämostaseologie, 2. Aufl. Springer, Berlin-Heidelberg 2010

Erläuterung zum Conflict of Interest: TEM International (Rotem) = T; Pentapharm (Rotem) =  P; CSL Behring = B; Mitarbeiter von CSL Behring = MB