Base Excess und Gerinnung

An dieser Stelle werden im Folgenden Fakten zusammengestellt, die einen klinisch relevanten Zusammenhang zwischen dem Base Excess (BE, mmol/l) und der Gerinnung des Blutes dokumentieren, dargestellt am Quickwert (%). Aus diesen Fakten werden dann Folgerungen für die Diagnostik und Therapie des Säure-Basen-Status und der Blutgerinnung gezogen.

Base Excess und Mortalität von Polytrauma-Patienten

Fazit

Ein BE von ca. - 15 mmol/l bei Krankenhausaufnahme prognostiziert bei Polytrauma-Patienten eine spätere Mortalität von ca. 50 %.

Base Excess und Mortalität von Trauma-Patienten

Fazit

Ein BE von ca. - 20 mmol/l prognostiziert bei Trauma-Patienten mit stumpfem Trauma oder Schusswunde eine spätere Mortalität von ca. 50 %, Patienten mit Stich- oder Fleischwunden zeigen deutlich bessere Überlebenschancen.

BE- und Quick-Wert schwer verletzter Polytrauma-Patienten

Fazit

Neben dem Alter, ISS (Injury Severity Score), GCS (Glasgow Coma Score) und Verletzungsmuster (Kopf und Extremitäten) sind die beiden wichtigsten, vom Arzt beeinflussbaren prädiktiven Faktoren der späteren Mortalität, der BE- und der Quick-Wert. Für diese beiden Größen besteht bei über 4000 Polytrauma-Patienten ein hochsignifikanter Zusammenhang, bei einem BE von ca. - 15 mmol/l beträgt der Quick-Wert nur noch ca. 50 %.

Aktivierung bzw. Aktivität verschiedener Gerinnungsfaktoren und pH- bzw. BE-Wert in vitro

Fazit

Ein BE von ca. - 15 mmol/l reduziert die Aktivität bzw. Aktivierung verschiedener Gerinnungsfaktoren auf ca. 50 %.

Eigene Untersuchungen zu Quick und Base Excess

Fazit

„Herkömmliche“, d. h. ungepufferte Reagenzien zeigen einen deutlichen Effekt des BE auf den Quick-Wert.

Untersuchungen zu Quick und Base Excess

Fazit

Unter Verwendung gepufferter Reagenzien wird der Einfluss des BE auf den Quick-Wert weitgehend „vertuscht“.

Massivtransfusion verursacht eine metabolische Azidose beim Patienten

Fazit

Eine Massivtransfusion verursacht eine metabolische Azidose, die ihrerseits eine Koagulopathie unterhalten kann.

In einer retrospektiven Untersuchung (1995 - 2001) an 434 Patienten wird gezeigt, dass die innerklinische Mortalität von herzchirurgischen, reoperierten Patienten deutlich mit dem Alter der transfundierten Erythrozyten-Konzentrate korreliert [Basran et al. 2006]:

Fazit

Das Alter transfundierter EK's hat einen möglichen Einfluss auf die Patienten-Mortalität.

Namens der Israeli Multidisziplinary rFVIIa Task Force empfehlen Martinowitz et al. in 2005:

Correction of the pH to > 7.2 is recommended prior to its administration. Ein pH von 7,2 entspricht einem BE von - 12,5 mmol/l einer nicht-respiratorischen Azidose.

Fazit

Vor Einsatz von rFVIIa ist eine Azidose auf BE > - 12,5 mmol/l zu korrigieren.

Namens der NovoSeven Trauma Study Group veröffentlichen Boffard et al. (2005) die Ergebnisse einer Multicenter-Studie:

Koagulopathie, metabolische Azidose und Hypothermie sind die „letale Trias“, die es zu durchbrechen gilt. Ausschluss-Kriterium hier u. a. ein Base Excess > - 15 mmol/l. Nach der 8. EK-Transfusion wurden 143 Patienten mit strumpfem und 134 mit penetrierendem Trauma mit rVIIa (NovoSeven) therapiert. Beim stumpfen Trauma reduzierte sich die Anzahl der erforderlichen EK’s um 2,6 EK’s (1,0 EK beim penetrierenden Trauma) und das Erfordernis zur Massivtransfusion (> 20 Einheiten) innerhalb von 48 h von 33 auf 14 % (von 19 auf 7 % beim penetrierenden Trauma).

Beurteilung durch Byhahn (2006):
Eine zwar statistisch signifikante, klinisch betrachtet jedoch eher marginale Reduktion des Bedarfs an EK-Transfusionseinheiten bei schwer verletzten Patienten.

Fazit

Koagulopathie, metabolische Azidose und Hypothermie sind die „letale Trias“, eine Massivtransfusion, insbesondere mit alten EK’s, kann möglicherweise die Wirksamkeit von rVIIa (NovoSeven) beeinträchtigen, weil die EK’s die Azidose unterhalten.

Generelles Fazit

  1. Eine metabolische Azidose kann ursächlich das Blutungs-Risiko von Trauma-Patienten erhöhen: Beim BE von - 15 mmol/l ist die Gerinnungsaktivität in vitro und in vivo auf ca. 50 % gesenkt, die Mortalität von Polytrauma-Patienten beträgt dann ca. 50 %, eine Transfusion alter EK’s unterhält die metabolische (Milchsäure-) Azidose.
  2. Die Gerinnungsdiagnostik (z. B. Quick) muss unbedingt unter den aktuellen Bedingungen des Patienten durchgeführt werden, also Körpertemperatur (z. B. Hypothermie 30 °C) und Säure-Basen-Status (z. B. Azidose mit BE - 15 mmol/l), eine Diagnostik bei 37 °C und BE = 0 mmol/l würde einen normalen Gerinnungs-Status vortäuschen.
  3. Der Einsatz von rFVIIa (NovoSeven) erfordert eine Korrektur der Körpertemperatur auf mindestens 35 °C und der Azidose auf BE  > - 12,5 mmol/l, andernfalls ist die Wirksamkeit von rVIIa mehr oder weniger limitiert. Eine Massivtransfusion mit alten EK’s und gleichzeitige Therapie mit rFVIIa ist unbedingt zu vermeiden.

Literatur

Basran S, Frumento RJ, Cohen A, Lee S, Du Y, Nishanian E, Kaplan HS, Stafford-Smith M, Bennett-Guerrero E
The association between duration of storage of transfused red blood cells and morbidity and mortality after reoperative cardiac surgery
Anesth Analg 2006; 103: 15 - 20

Boffard KD, Riou B, Warren B, Choong PIT, Rizoli S, Rossaint R, Exelsen M, Kluger Y for the NovoSeven Trauma Study Group
Recombinant factor VIIa as adjunctive therapy for bleeding control in severly injured trauma patients: Two parallel randomized, placebo-controlled, double-blind clinical trials
J Trauma 2005; 59: 8 - 18

Byhahn C
Reduziert rekombinanter, aktivierter Faktor VII den Fremdblutbedarf bei polytramatisierten Patienten?
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Auszug aus dem Traumaregister der DGU (Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie)
Institut für Forschung in der Operativen Medizin, Fakultät für Medizin, Private Universität
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Martinowitz U, Michaelson M on behalf of the Multidisciplinary rFVIIa Task Force
Guidelines for the use of recombinant activated factor VII (rFVIIa) in uncontrolled bleeding: a report by the Isreali Multidisciplinary rFVIIa Task Force
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Meng, ZH, Wolberg AS, Monroe DM, Hoffmann M
The effect of temperature and pH on the activity of factor VIIa: Implications for the efficacy of high-dose factor VIIa in hypothermic and acidotic patients
J Trauma 2003; 55: 886 - 891

Tremblay LN, Feliciano DV, Rozycki GS
Assessment of initial base deficit as a predictor of outcome: mechanism of injury does make a difference
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Zander R
Base Excess und Laktatkonzentration von Infusionslösungen und Blutprodukten
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Zander R, Adams HA, Boldt J, Hiesmayr MJ, Meier-Hellmann A, Spahn DR, Standl T Forderungen und Erwartungen an einen optimalen Volumenersatz
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Säure-Basen-Status gelagerter und gewaschener Erythrozyten
Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2001: 36 (Suppl. 1): 25 - 30

Danksagung

Dr. Rolf Lefering (IFOM - Institut für Forschung in der Operativen Medizin Köln) und Priv.-Doz. Dr. med. Dieter Rixen (Chirurgische Klinik am Klinikum Köln-Merheim) haben freundlicherweise den Auszug aus dem Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie zur Verfügung gestellt.

Anmerkung

Eine Anfrage bei Roche Diagnostics (Mannheim), warum bei ihren Reagenzien (Hepato Quick) gepufferte Verdünnungs-Lösungen eingesetzt werden, konnte leider nicht schlüssig beantwortet werden.