Studienprotokoll der VISEP-Studie

Das Studienprotokoll der sogenannten VISEP-Studie zum „Einfluss einer kolloidalen versus einer kristalloiden Volumenersatztherapie und einer intensivierten versus einer konventionellen Insulintherapie auf die Organfunktion und das Überleben bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock“ zeigt nach Datenlage des Jahres 2003 methodische Mängel, die die Beantwortung der Problemstellung von vornherein in Frage stellen.
 
Die wesentlichen Kritikpunkte sind:

  • Eine Volumentherapie mit ausschließlich Kristalloiden oder Kolloiden mit der gewählten kolloidalen hyperonkotischen, hyperchlorämischen HES-Lösung oder der kristalloiden Lösung mit hoher Laktat-Konzentration ist weder akzeptabel noch praktikabel, allein schon wegen Überschreitens der Maximaldosen nach Herstellerangabe.
  • Die seit dem Jahre 2001 bekannte Tatsache, dass hochmolekulare, schwer-abbaubare HES-Präperationen bei Patienten mit Sepsis oder septischem Schock einen unabhängigen Risikofaktor für ein akutes Nierenversagen darstellen können, wurde ignoriert; das Ausschlusskriterium Serum-Kreatininwert >3,6 mg/dl bzw. 320 µmol/l wurde gegenüber den Herstellerangaben fast verdoppelt.
  • Die eingesetzte hyperonkotische kolloidale Lösung darf nur kurzfristig eingesetzt werden; sie ist stark hyperchlorämisch und verursacht eine extravaskuläre Hypohydratation mit konsekutiver Reduktion der Nierenausscheidung, was in Kombination mit HES eine fatale Kombination ist.
  • Die eingesetzte kristalloide Lösung ist mit 45 mmol/l Laktat beim septischen Schock kontraindiziert, weil sie den O2-Verbrauch des Patienten steigert, die Laktat-Diagnostik als Hypoxie-Marker durch gleichzeitige Laktat-Infusion verhindert, und über die Steigerung der Glukoneogenese zumindest bei Diabetikern zur Hyperglykämie führt.
  • Es wird bezweifelt, ob eine intensivierte Insulin-Therapie erfolgreich sein kann, wenn die Insulin-Gabe simultan mit einer iatrogenen Hyperglykämie infolge Laktatzufuhr erfolgt.

Wegen dieser Mängel des Studien-Protokolls der VISEP-Studie kann die Konsequenz nur lauten, dass die Ergebnisse dieser Studie nicht verwertbar sind, insbesondere nicht bezüglich der Fragestellung „HES und Nierenfunktion“. Vor weiteren Vorab-Präsentationen und -Interpretationen der Autoren sollte jetzt die Veröffentlichung aller Daten abgewartet werden, um mit weiterführenden Diskussionen einschließlich der hier aufgezeigten Mängel des Studiendesigns zu beginnen.

Literatur

Zander R, Boldt J, Engelmann L, Mertzlufft F, Sirtl C, Stuttmann R
Studienprotokoll der VISEP-Studie - Eine kritische Stellungnahme
Anaesthesist 2007; 56: 71 - 77