DGAI-Reanimationsregister 2014 - 2021

Die Ergebnisse des DGAI-Reanimationsregisters 2014 bis 2019 werden anhand der DGAI-Jahresberichte um zwei weitere Jahre bis 2021 fortgeschrieben:

Ergebisse - Fakten

Die Fakten sind in der folgenden Abbildung dargestellt.

Erneute Fragestellung wie 2022

Besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen dem gleichzeitigen Anstieg der Laien-Reanimation um 37 % und dem Abfall der 24 h Überlebenden um 21 % und der lebend Entlassenen um 24 % innerhalb von 8 Jahren?

Rückblick

Wie bereits im Januar 2022 ergibt sich wieder die gleiche Fragestellung zum Anstieg der Laienreanimation bei Abfall der lebend Entlassenen nur jetzt mit noch schlechteren Ergebnissen.

Ergebnisse – Nachfragen

Da es sich hier formal wieder um eine beobachtete Korrelation und keine belegte Kausalität zwischen der Laienreanimation und dem – negativen Reanimationserfolg – handelt, bleibt diese Frage vorläufig offen.

  • Während der Vorbereitung zu diesem Beitrag erschien eine Publikation von I. Hubar, M. Fischer, T. Monaco, J-T. Gräsner, R. Westenfeld, M. Bernhard:
    Development of the epidemiology and outcomes of out-of-hospital cardiac arrest using data from the German Resuscitation Register over a 15-year period (EpiCPR study). Resuscitation 2022.11.01

    Daraus folgende Zitate aus dem Abstract (Hervorhebungen vom Autor):
    Aim: Using data from the German Resuscitation Register (GRR), we examined changes in epidemiology and therapeutic interventions over a 15-year period in order to identify key factors contributing to favourable outcome in out-of-hospital cardiac arrest (OHCA) patients.
    Methods: GRR data were analysed in 5-year periods (2006–2010 vs 2011–2015 vs 2016–2020) representing changes in the European Resuscitation Council (ERC) guidelines.
    Endpoints included 30-day survival and hospital discharge with a good neurological outcome. Matched-pair analysis compared outcomes, and multivariate binary logistic regression analysis identified variables with effects on survival.
    Results: A total of 42,997 GRR patients were studied (2006–2010: n = 3,471, 2011–2015: n = 16,122, 2016–2020: n = 23,404). The 30-day survival, and hospital discharge rates with CPC1/2 were unchanged. After adjusting cohorts using matched pairs, a higher CPC1,2 rate was observed (8.8 vs 10.2%, p < 0.03).
    Conclusion: Despite a significant increase in bystanderrates, no improvement in 30-day survival and hospital discharge rate with CPC1,2 was observed. Initial rhythm (VF/VT), cardiac and hypoxic cause of CA, bystander CPR and IV access were identified as factors associated with a favourable neurological outcome.

Wegen der in dieser Publikation verwendeten statistischen Verfahren wurde ein externes Gutachten in Auftrag gegeben (s. Anhang).

Fragestellung an den Statistiker

  1. Ist es möglich, dass unter Verwendung der Daten aus der gleichen Quelle, allerdings über einen unterschiedlichen Zeitraum, eine Zunahme der Laien-Reanimation um 37 % bei Abnahme der 24 h Überlebenden um 21 % und der Lebend-Entlassenen um 24 % (s. Abbildung DGAI 2014-2021) gezeigt wird, hingegen bei Anwendung anspruchsvoller statistischer Verfahren, bei deutlich zunehmender Laienreanimationsrate eine über die Jahre ansteigende Krankenhausentlassungsrate festgestellt werden konnte (s. Hubar et al. 2006-2020)?
  2. In der Publikation Hubar et al. 2022 wurde eine „Datenbereinigung“ vorgenommen. Für den Zeitraum 2016-2020 werden von der DGAI hierfür 23.404 Patientendaten genannt, in der obigen Graphik (nicht dargestellt) nur 28.105. Eine „Datenbereinigung“ von immerhin 17 %?

Buchbeitrag Reanimation

  • Während der Vorbereitung zu dieser Veröffentlichung erschien (Februar 2023) ein Buchbeitrag: Herff, H., Wagner, U., Wenzel, V. (2023). Kardiopulmonale Reanimation.
    In: Marx, G., Muhl, E., Zacharowski, K., Zeuzem, S. (eds) Die Intensivmedizin. Springer Reference Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg

    Zitate aus dem Abstract (Hervorhebung vom Autor):
    Die Therapie des Kreislaufstillstands besteht aus kardiopulmonaler Reanimation (CPR) in verschiedenen Stufen. Zu den Basismaßnahmen („basic life support“; BLS) gehören Beatmung sowie Thoraxkompressionen und sofern verfügbar Defibrillation. Die erweiterten Wiederbelebungsmaßnahmen („advanced cardiac life support“; ALS) bestehen aus Sicherung des Atemweges, Vasopressoren, und Defibrillation. Die Leitlinien zur CPR sind zuletzt 2021 überarbeitet worden.
    Insgesamt haben sich mit den Leitlinien 2021 keine umfangreichen Änderungen ergeben.
    Es sind eher neue Schwerpunkte der neuen Reanimationsleitlinien, die unter dem Stichwort „Big Five“ subsumiert werden: Es sind dies die Stärkung der Laienreanimation durch verbesserte Ausbildung, zweitens die Telefonreanimation durch Anweisungen des Leitstellenpersonals und drittens bessere Ersthelfersysteme. Punkt vier ist der weitere Ausbau professioneller CPR Versorgung mit erweiterten Reanimationsmaßnahmen und Punkt fünf der Ausbau spezieller Cardiac Arrest Zentren, in denen rund um die Uhr alle notwendigen diagnostischen und therapeutischen Kapazitäten zur Behandlung nach Widerherstellung eines Spontankreislaufes vorgehalten werden.

Fazit

  • Das DGAI-Reanimationsregister berichtet für die Jahre 2014-2021, also für 8 Jahre, über einen gleichzeitigen Anstieg der Laien-Reanimation um 37 % und einen Abfall der 24 h Überlebenden um 21 % und der lebend Entlassenen um 24 %.
     
  • Im Gegensatz dazu wird in einer aktuellen Publikation (Hubar et al. 2022) für die Jahre 2006-2020, also über 15 Jahre, anhand von 42.997 Patienten-Daten darüber berichtet, dass das 30-Tage-Überleben und die Krankenhaus-Entlassungs-Rate unverändert blieben, und zwar trotz der signifikanten Zunahme der Laien-Reanimations-Rate.
    Die Laien-Reanimations-Rate war assoziiert mit einem günstigen neurologischen Ergebnis.
     
  • Ein externes Gutachten zur Anwendung anspruchsvoller statistischer Verfahren in der Publikation Hubar et al. (2022) kommt bezüglich des Zusammenhangs zwischen Laien-Reanimations-Rate und Reanimations-Erfolg zu folgenden Ergebnis:
    Hier wird von „associated“ gesprochen, weil das Modell nur moderat ist und nicht sehr gut. Es konnte bei Hubar et al. (2022) gezeigt werden, dass es dort positive Zusammenhänge gibt, aber wie groß diese genau sind, müsste in einem anderen Modell genauer untersucht werden. Oder mit Variablen, die in der Datenbank nicht hinterlegt sind.
     
  • In dem gleichen Gutachten zur Publikation Hubar et al. (2022) blieben drei Punkte offen:
  1. Eine „Datenbereinigung“ wurde vorgenommen:
    Für ein Beispiel (Zeitraum 2016-2020) wurden die von der DGAI verwendeten Patientendaten um 17 % vermindert. Die bei Hubar et al. (2022) durchgeführte Datenbereinigung führt dazu, dass die Datenlage nur noch bedingt vergleichbar ist.
    Als Richtwert für unproblematische Datenbereinigung können bis 25 % genommen werden. Man darf unterstellen, dass die DGAI nur bereinigte Daten publiziert hat.
  2. In der DGAI-Graphik wird die Entwicklung nur deskriptiv, also beschreibend, betrachtet. Hier kann zwar gesagt werden, dass eine bestimmte Rate sinkt oder steigt, aber nicht, ob das statistisch signifikant ist und ein Trend ist, der sich so fortführen wird oder nicht.
  3. Es wurden Matching-Pair gebildet, d.h. für die Patienten der ersten Stichprobe wurden statistische Zwillinge in der dritten Stichprobe gesucht und nur diese miteinander verglichen. In welchen Variablen diese Zwillinge identisch sein mussten, ist der Tabelle 2 zu entnehmen. Statistisch ist diese Aussage bei Hubar et al. (2022) völlig zulässig, weil sie nun mal die Größe der Stichproben mitberücksichtigt. Das genaue Matching Verfahren wird hier nicht erwähnt. Über Matching Verfahren gibt es unter Statistiker:innen allerdings viel Diskussion, ob diese wirklich gut sind oder nicht.
  • Im erwähnten Buchbeitrag (2023) wird eine Stärkung der Laienreanimation durch verbesserte Ausbildung empfohlen.

Fazit vom Fazit

  • Die Rate der Lebend-Entlassenen beträgt nach außerklinischer kardio-pulmonaler Reanimation – nur – etwa 10 %, in keinem der o. g. Beiträge kommentiert.
  • Zwischen der stark steigenden Laienreanimations-Rate und dem – negativen Reanimationserfolg – besteht keine Kausalität sondern nur eine Assoziation.
  • Die Laienreanimation kann als – ein – Faktor eines günstigen neurologischen Ergebnisses ohne quantitative Aussage ermittelt werden.

Fußnote

Leider ist nicht gelungen, Autoren der Publikation Hubar et al. (2022) für ein Statement zu gewinnen (I. Hubar, J-T. Gräsner) auch nicht nach ausführlichem Schriftwechsel (M. Fischer, M. Bernhard).